Jakoby Rechtsanwälte
Home » Angebot

Öffentliche Auftraggeber müssen Bieter vor sinnlosem Nachprüfungsverfahren warnen (OLG Koblenz, Beschl. vom 26.8.2020 – Verg 5/20)

Öffentliche Auftraggeber müssen Bieter nach Rüge vollständig über entscheidungserhebliche Umstände informieren und damit Bieter vor sinnlosem Nachprüfungsverfahren warnen – (OLG Koblenz, Beschluss vom 26.8.2020 – Verg 5/20)

Im Fall des OLG Koblenz wehrte sich der Bieter gegen den Ausschluss seines Angebots. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Er teilte dem rügenden Bieter nicht mit, dass das Angebot des erstplatzierten Bieters aus denselben Gründen ausgeschlossen worden war wie sein eigenes zweitplatziertes Angebot. Erst im Nachprüfungsverfahren erfuhr der Bieter, dass sein Angebot auch dann nicht den Zuschlag erhalten würde, wenn der Ausschluss vergaberechtswidrig war. Dann ginge der Zuschlag nämlich an den erstplatzierten Bieter. Damit war der Nachprüfungsantrag für den Antragsteller sinnlos. Er verfolgte den Antrag nicht weiter und beantragte, die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzugeben.

Dem folgte das OLG Koblenz und erlegte die Kosten des Verfahrens dem Auftraggeber auf mit folgender Begründung: Es sei die Pflicht des Auftraggebers, den Bieter vor einem sinnlosen Nachprüfungsverfahren zu bewahren, indem er ihn entsprechend informiere. Ob diese Pflicht aus § 134 GWB bzw. § 19 EU Absatz II 1 VOB/A folge, ließ das OLG Koblenz offen. Jedenfalls folge eine entsprechende Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Der Auftraggeber müsse auf eine Rüge hin den Bieter vollständig über alle mit der Rüge zusammenhängen Umstände informieren. Zwischen den Parteien bestehe ein Schuldverhältnis gemäß § 311 Absatz 2 Nr. 1 BGB anlog. Das OLG stellte klar, dass dies auch im EU-Vergaberecht gilt. Auch bei europaweit ausgeschriebenen offenen Verfahren seien beide Seiten zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Dies beinhalte die Pflicht, den anderen Teil durch Aufklärung vor eine Selbstschädigung zu bewahren. Dazu gehöre, ihn unaufgefordert über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände zu informieren.

Diese Entscheidung ist erfreulich, denn sie schützt den rügenden Bieter vor einem aufwändigen, für ihn sinnlosen Nachprüfungsverfahren. Sie senkt damit das Bieterrisiko bei Nachprüfungsverfahren. Auftraggeber müssen bei der Abwehr von Rügen entsprechend umsichtig sein.

Kein Angebotsausschluss ohne Mindestanforderung (OLG Dresden, 05.02.2021 – Verg 4/20)

Das OLG Dresden hatte den Fall eines Angebotsausschlusses ohne Mindestanforderung zu entscheiden: Der Auftraggeber hatte im Vergabeverfahren den Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre abgefragt, aber keinen Mindestumsatz gefordert. Der Bieter hatte in seinem Angebot für alle drei Geschäftsjahre als Umsatz Null Euro angegeben. Darauf schloss der Auftraggeber das Angebot mangels Eignung aus. Zu Unrecht, entschied das OLG Dresden und stellt klar:

Allein die Abfrage des Umsatzes stellt keine Mindestanforderung an einen bestimmten Umsatz oder überhaupt an eine Geschäftstätigkeit dar. Daher rechtfertigt die Angabe eines Umsatzes von Null Euro für alle drei Geschäftsjahre keinen Angebotsausschluss.

Will der Auftraggeber also den Umfang der bisherigen Tätigkeit im Rahmen der Eignungsprüfung berücksichtigen, muss er ausdrücklich entsprechende Mindestkriterien festlegen!