Jakoby Rechtsanwälte
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Rechtsschutz im Unterschwellenbereich

Inzwischen gibt es in einigen Bundesländern auch für Vergaben im Unterschwellenbereich vergaberechtlichen Primärrechtsschutz, und zwar in den Bundesländern Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Allerdings müssen dazu bestimmte Wertgrenzen erreicht werden und der Anwendungsbereich der betreffenden Landesregelung muss eröffnet sein. Zu beachten sind ggf. insbesondere die abweichend zu § 134 GWB geregelten Informations- und Wartefristen. Nachfolgend kurz zu den unterschiedlichen Wertgrenzen und Fristen und einigen Verfahrensbesonderheiten. Bei weitergehenden Fragen zum Rechtsschutz im Unterschwellenbereich sprechen Sie uns gerne an.

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt beträgt die Wertgrenze für Nachprüfungsverfahren betreffend Bauvergaben EUR 120.000 (netto) und betreffend Vergaben von Leistungen und Lieferungen EUR 40.000 (netto). Die Regelungen zum Nachprüfungsverfahren sind denen des Oberschwellenbereich weitgehend nachgebildet.  So gelten u.a. entsprechende Rügepflichten. Zu beachten ist insbesondere, dass die Informations- und Wartefrist abweichend von § 134 GWB geregelt ist. Sie beträgt für Nachprüfungen im Unterschwellenbereich sieben Werktage.

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz in Sachsen

In Sachsen beträgt die Wertgrenze EUR 75.000 (netto) für Bauvergaben und EUR 50.000 (netto) für Vergaben von Leistungen und Lieferungen. Die Wartefrist beträgt zehn Kalendertage, allerdings muss der Bieter innerhalb dieser Frist den Verstoß lediglich gegenüber dem Auftraggeber rügen. Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, insormiert er direkt die Nachprüfungsbehörde. Den Zuschlag darf der Auftraggeber dann nur erteilen, wenn die Nachprüfungsbehörde das Verfahren nicht binnen einer Frist von zehn Kalendertagen nach ihrer Unterrichtung unter Angabe von Gründen beanstandet.

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz in Thüringen

In Thüringen liegt die Wertgrenze für Rechtsschutz im Unterschwellenbereich bei EUR 150.000 (netto) für Bauvergaben und EUR 50.000 (netto) für Vergaben von Leistungen und Lieferungen. Das Verfahren ist auch hier vereinfach. Die Informations- und Wartefrist beträgt zwar nur sieben Kalendertage. Binnen dieser Frist muss der unterlegene Bieter einen Verstoß allerdings nur gegenüber dem Auftraggeber rügen. Hilft der Auftraggeber der Rüge nicht ab, informiert er selbst die Nachprüfungsbehörde. Sodann darf Auftraggeber den Zuschlag nur erteilen, wenn die Nachprüfungsbehörde das Verfahren nicht binnen einer Frist von zwei Wochen – bei begründeter Verlängerung drei Wochen – beanstandet.

Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz in Rheinland-Pfalz

Auch Rheinland-Pfalz hat einen vergaberechtlichen Primärrechtsschutz für den Unterschwellenbereich eingeführt. Die Wertgrenze beträgt einheitlich EUR 75.000 (netto). Der Rechtsschutz ist dem oberhalb der Schwellenwerte nachgebildet. Zu beachten ist allerdings insbesondere die kurze Informations- und Wartefrist von sieben Kalendertagen. Allrdings muss der Bieter auch in Rheinland-Pfalz nur gegenüber dem Auftraggeber fristgemäß rügen. Dieser legt dann bei Nichtabhilfe die Rüge der für die Nachprüfung zuständigen Vergabeprüfstelle zur Entscheidung vor, sofern der Bieter oder Bewerber nicht auf die Nachprüfung verzichtet hat.

 

Wettbewerbsregister – Abfragepflicht für öffentliche Auftraggeber

Ab 01.06.2022 besteht für öffentliche Auftraggeber sowie Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber in Vergabeverfahren ab bestimmten Auftragswerten die Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters. Über das das beim Bundeskartellamt eingerichtete bundesweite Wettbewerbsregister ist es öffentlichen Auftraggebern möglich, Informationen über Bewerber elektronisch abzufragen. Für die Abfrage des Wettbewerbsregisters müssen sich die öffentlichen Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber zuvor beim Bundeskartellamt registrieren lassen. Sofern noch nicht erfolgt, empfehlen wir Auftraggebern und Konzessionsgebern, sich umgehend zu registrieren.

Vergaben unter Schwellenwert – Gilt Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bald auch in Berlin

Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist tatsächlich veröffentlicht und wird die VOL/A 2009 für sämtliche unterschwellige Vergaben ersetzen. Noch gilt sie aber im Bund oder z.B. in Berlin nicht.

Die UVgO wurde am 07. Februar 2017 im Bundesanzeiger (BAnz AT 07.02.2017 B1) veröffentlicht und damit die umfassende Vergaberechtsreform des letzten Jahres für den Unterschwellenbereich fortgeführt. Sie ersetzt den bisher geltenden 1. Abschnitt der Vergabe und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) vom 20. November 2009.

Durch die Bekanntmachung im Bundesanzeiger tritt die UVgO jedoch noch nicht in Kraft. Dafür ist erst noch erforderlich, dass ein Anwendungsbefehl in Form eines Neuerlasses der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundeshaushaltsordnung bzw. der jeweiligen Landeshaushaltsordnungen (oder Landesvergabegesetzen) erlassen wird. In Berlin betrifft dies die Ausführungsvorschriften zu § 55 der Berliner Landeshaushaltsordnung (Bln LHO). Wann und inwieweit dies in Berlin erfolgen wird, ist noch offen.

Erst danach gelten die Vorschriften der UVgO für die Vergabe von Liefer-und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte gemäß § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (EU – Schwellenwerte).

Die UVgO orientiert sich strukturell stärker als bisher an der für öffentliche Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte geltenden gesetzlichen Regelungen, hier insbesondere der Vergabeverordnung vom April 2016.

Nähere Informationen und den Verlauf des Gesetzgebungsvorhabens finden Sie auf der Homepage des BMWI.

Nach Inkrafttretung der UVgO in Berlin finden Sie an gleicher Stelle eine Darstellung der Veränderungen  bei der Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte.

Vergaberechtliche Betreuung bei Musterausschreibung Schulessen an den Berliner Grundschulen

Das Land Berlin hat unter großer Beachtung durch die Öffentlichkeit und vergaberechtlich begleitet von Jakoby Rechtsanwälte das Schulessen der Berliner Grundschüler neu ausgeschrieben. Erstmals wurden die Offenen Verfahren durch die einzelnen Bezirke berlinweit zeitlich parallel und fast durchgehend nach einheitlichen Kriterien durchgeführt. Dies gelang, indem unter Federführung der Senatsverwaltung und unter Beteiligung der Bezirke eine Musterausschreibungsunterlage erarbeitet wurde, auf deren Basis dann die Vergabeverfahren durch die Bezirke durchgeführt wurden. Vergaberechtlich besonders beachtenswert war u.a., dass ein reiner Qualitätswettbewerb stattfand, da den Bietern ein Festpreis vorgegeben wurde. Vergaberechtlich herausfordernd waren neben anderen Aspekten insbesondere die zeitliche Parallelität der zwölf europaweiten Vergabeverfahren mit insgesamt weit über 400 Losen sowie die in § 76 Berliner Schulgesetz vorgegebene Beteiligung der Schulen an der Entscheidung über die Auswahl des Essensanbieters. Außerdem wurden differenzierte Zuschlagskriterien und Unterkriterien für die Bieter transparent herausgearbeitet. Dabei wurde zur Steigerung der Essensqualität der Berliner Grundschüler für sämtliche Lose je eine Testverkostung zur sensorischen Qualitätsbewertung durchgeführt, deren Ergebnis wesentlich in die Bewertung einfloss. Darüber hinaus wurden das Umsetzungskonzept der Bieter, die maximalen Warmhaltezeiten und die Höhe des Bioanteils bewertet. Durchgängig wurden zur Qualitätssteigerung die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung) eingeführt. Wir freuen uns, dass Jakoby Rechtsanwälte dieses spannende Verfahren der Musterausschreibung für das Schulessen begleiten und dadurch zum Erfolg dieses beachtenswerten Projekts mit bundesweitem Pilotcharakter beitragen durfte. Das Vergabeverfahren wurde von Herrn Rechtsanwalt Dr. Jakoby und Frau Rechtsanwältin Prasser betreut.