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Auch Bieterfragen können Rügen sein (Vergabekammer Bund, Beschl. vom 28.05.2020 – VK 1-34/20)

Vorsicht bei als Bieterfragen getarnten Rügen! Auch Bieterfragen können Rügen sein, wenn inhaltlich ein Vergaberechtsverstoß gerügt und Abhilfe begehrt wird.

Der VK Bund lag folgender Fall zur Entscheidung vor: Ein Bieter rügte nach Mitteilung gem. § 134 GWB erfolglos, dass sein Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag an ein anderes Unternehmen erteilt werde. Die Vergabekammer wies seinen dagegen gerichteten Nachprüfungsantrag wegen Unzulässigkeit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB zurück. Der Bieter hatte die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Verstöße nach Auffassung der Vergabekammer nämlich bereits in einem früheren Stadium des Vergabeverfahrens gegenüber der Vergabestelle gerügt. Zwar hatte der Bieter seine Eingaben gegenüber der Vergabestelle nicht ausdrücklich als „Rügen“ bezeichnet und seine Darstellung jeweils mit der Frage „Wie stellt sich [die AG] im Wettbewerbsverfahren verantwortlich zu dieser Problematik?“ beendet. Die Vergabekammer qualifizierte diese Eingaben aber jeweils als Rügen. Sie begründete dies wie folgt:

Die Frage, ob eine Eingabe eine Rüge i.S.d. § 160 Abs. 3 GWB darstelle, sei objektiv zu beurteilen und stehe nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Unerheblich sei, ob der Bieter die Rüge in Form einer Frage formuliere, sofern sich aus dem Inhalt der Frage ergebe, dass der Antragsteller die Vorgehensweise der Vergabestelle für vergaberechtswidrig hält und Abhilfe begehrt. Anderenfalls ermögliche dies dem Bieter ein „Taktieren“. Der Bieter könne nämlich sonst mit dem Argument, bisher habe er nur Fragen gestellt, aber keine Rüge erhoben, mit einer „echten“ Rüge zuwarten, ob er den Zuschlag erhalte oder nicht. Dies sei vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Der Entscheidung ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und der Verfahrensbeschleunigung zustimmen. Der Bieter soll sich nicht durch geschickte Formulierung einer Beanstandung der Rechtsfolge des § 160 Abs. 3 GWB entziehen können.  Allerdings bedeutet dies für den Bieter, dass er diesen Aspekt bereits im Rahmen der Entscheidung über eine Bieterfrage berücksichtigen sollte.

BGH stärkt Bieterschutz im Nachprüfungsverfahren bei Untätigkeit der Vergabekammer (BGH, Beschl. v. 14.7.2020 – XIII ZB 135/19)

Der BGH stärkt Bieterschutz im Nachprüfungsverfahren bei Überschreitung der Entscheidungsfrist durch die Vergabekammer: Die Vergabekammer hatte versäumt, die zur Entscheidung vorgesehene Fünf-Wochen-Frist gem. § 167 Absatz 1 GWB zu verlängern. Die Rechtsfolge eines solchen Versäumnisses wurde bis zur BGH-Entscheidung uneinheitlich beantwortet. Teilweise wurde vertreten, dass damit der Nachprüfungsantrag automatisch als abgelehnt gilt mit der Folge, dass die Vergabekammer inhaltlich gar nicht mehr über den Nachprüfungsantrag entscheiden kann.

Der BGH folgte dieser Auffassung nicht: Der Nachprüfungsantrag gilt gemäß BGH mit Ablauf der Frist des § 167 Absatz 1 GWB nur dann als abgelehnt, wenn der Antragsteller innerhalb der Notfrist des § 172 Absatz 1 GWB sofortige Beschwerde einlegt.

Der BGH argumentiert mit der Gesetzesbegründung zur wortgleichen Vorgängervorschrift wie folgt:

Der Gesetzgeber wollte dem Antragsteller eines Vergabenachprüfungsverfahrens mit § 171 Abs 2 GWB ein Instrument zur Verfahrensbeschleunigung an die Hand geben und nicht den Rechtsschutz für Bieter beschränken. Auch wäre die Fiktion einer Antragsablehnung ohne entsprechende Belehrung des Antragstellers problematisch, da im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer kein Anwaltszwang herrscht.

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Mit dieser Entscheidung wurde der Rechtsschutz der Bieter gestärkt. Allerdings lenkt der Beschluss die Aufmerksamkeit auf die derzeit vielerorts bestehende Überlastung bzw. Unterbesetzung der Vergabekammern. Hierdurch findet der im Vergabenachprüfungsverfahren geltende Beschleunigungsgrundsatz in der Praxis häufig keine Anwendung. Vielmehr wird die Fünf-Wochen-Frist, in der die Vergabekammer ihre Entscheidung gemäß § 167 Absatz 1 GWB schriftlich treffen und begründen soll, häufig mehrfach verlängert.

Es bleibt zu hoffen, dass die Vergabekammern ausreichend mit Personal ausgestattet werden, damit ein für öffentliche Auftraggeber, interessierte Unternehmen und das Gemeinwesen fataler Entscheidungsstau bei den Vergabekammern vermieden bzw. abgebaut wird.